10/05/2016
Nachdem ich angefangen hatte, auch kleinere Geschichten und Betrachtungen zu schreiben, kamen mir auch einige Märchen in den Sinn. Eines dieser Märchen sollte das Thema haben: ein Mädchen mit der besonderen Gabe, mit den Wesen der Natur zu sprechen. Das war Elisabeth, Tochter eines Holzschnitzers, der mit seiner Familie in der Einsamkeit des Waldes an einem romantischen Platz wohnt. Eines Tages entdeckt Elisabeth, dass sie mit den unterschiedlichsten Elementen der Natur kommunizieren kann. Als Lehrerin und Vermittlerin dient ein wurzelähnliches Stück Holz, das sie an einer Quelle im Wald findet. Als eines Tages ihr jüngerer Bruder spurlos verschwindet, macht sich Elisabeth auf die Suche nach ihm, der Beginn einer jahrelangen Reise.
Ich habe ja bereits erzählt, wie ich begann Gedichte zu schreiben. Gedichte und Geschichten zu schreiben hat in meiner Familie durchaus eine gewisse Tradition. Mein Vater war Fotograf und Journalist und er schrieb im Laufe seines Lebens viele lyrische Gedichte und Geschichten. Auch sein Vater schrieb bereits gelegentlich Gedichte. Mein Großvater mütterlicherseits schrieb keine Gedichte, hat aber ein spannendes und interessantes Buch über seine Abenteuer beim Ballonfahren geschrieben. - Er war ein ganz wesentlicher Pionier der Ballonfahrt in Deutschland und erster Nicht-Offizier überhaupt, der in Deutschland eine Lizenz zum Ballonfahren bekam.
Da mein Vater bereits starb, als ich sechs Jahre alt war, konnte er nicht mehr unmittelbar Vorbild für mein Schreiben sein. Im Gegensatz zu seinen Fotografien, die viele Jahre Wohnung und Treppenhaus zierten und durchaus Stolz der Familie waren, habe ich viele Jahre nie ein Gedicht oder eine Geschichte von ihm zu sehen bekommen. Als ich im Jugendalter einmal danach fragte, bekam ich von meiner Mutter die Antwort: „Ach, Junge, das ist alles noch viel zu schwer für dich zu lesen.“ Und ich war wohl nicht pubertär/aufsässig genug, dass ich darauf bestanden hätte, es selbst herauszufinden. So geriet es mehr oder weniger in Vergessenheit und Jahr für Jahr verging. Ich war längst verheiratet und hatte eigene Kinder, als ich wieder einmal nachfragte, wo meine Mutter, denn eigentlich die Gedichte und Geschichten von unserem Papa aufbewahrte. „Oh, da muss ich mal in Ruhe nachsehen, die sind irgendwo in den vielen Kisten im Keller.“ Wieder vergingen Jahre, Jahre, in denen ich gelegentlich mal wieder nachfragte, aber immer die gleiche Antwort bekam … irgendwo im Keller.
Etwa 10 Jahre nach meinem ersten Gedicht war es dann so weit, dass ich mich mit dem Vertrösten nicht mehr zufrieden gab und mich selbst in den Keller aufmachte und zu stöbern begann. Schließlich brachte ich die ersten verstaubten Schätze zutage. „Da muss aber noch mehr sein,“ ließ mich meine Mutter wissen, nun selbst schon ganz aufgeregt. Und tatsächlich, es gab noch mehr. Ich fand hunderte von Gedichten und Geschichten.
Schließlich fuhr ich mit mehreren Kartons bepackt nach Hause und machte mich dort in Ruhe über meinen neuen Schatz her. Was ich entdeckte war eine völlig neue Art von Vater und eine tiefe Seelenverwandtschaft, von der ich bislang nichts geahnt hatte. Das war ein enormer Motivationsschub und in den kommenden Wochen schrieb ich plötzlich so viele Gedichte, wie sonst im ganzen Jahr nicht und begann mit ersten Kurzgeschichten, Betrachtungen und Anekdoten. Der Damm war gebrochen.